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Grüne Forderungen für ein soziales Mietrecht 

Das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht. Nicht zuletzt als Vertragsstaat des Internationalen Pakts für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist Deutschland verpflichtet, dieses Recht innerstaatlich zu achten, zu schützen und zu verwirklichen. Das ist geltendes, verbindliches Bundesrecht. Diese menschenrechtlichen Vorgaben sind Maßstab und Orientierung für rechts- und wohnungspolitische Entscheidungen. Ein soziales Mietrecht verstehen wir im Lichte genau dieser Vorgaben. 

Viele Menschen in unserem Land können von ihrem Recht auf Wohnen nur dann effektiv Gebrauch machen, wenn hinreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht, Wohnen nicht prekär und diskriminierungsfreier Zugang zum Wohnungsmarkt gegeben ist. Wohnen ist eine der, wenn nicht die soziale Frage in Gegenwart und Zukunft unseres Landes. Daher sehen wir es als Pflicht von Staat und Politik an dafür zu sorgen, dass Wohnraum für jede*n verfügbar und bezahlbar bleibt, den Bedarfen der Menschen angemessen ist und wirksamer Schutz vor Wohnungslosigkeit besteht. Es geht um Daseinsfürsorge und Gemeinwohl.  

Eine maßgebliche Rolle spielt hier das Mietrecht. Wir haben in der jüngeren Vergangenheit bereits mehrfach, in unterschiedlichen Zusammenhängen darauf hingewiesen, dass im Mietrecht weiterer Reformbedarf besteht und an einigen Stellen nachgesteuert werden sollte. Das Minimum an Reformen und Nachsteuern wurde im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbart und muss nun dringend umgesetzt werden. Nur so können wir zum Beispiel dem gesamtgesellschaftlich problematischen ungebremsten Mietanstieg und der Gefahr der Verdrängung von weniger finanzkräftigen Mieter*innen aus Ballungsräumen – zumindest im Ansatz – entgegenwirken. Es ist unverzüglich ein Gesamtpaket an Maßnahmen erforderlich, die ineinandergreifen und insgesamt ein weiteres übermäßiges Ansteigen der Mieten wirkungsvoll verhindern 

I. 

Der Koalitionsvertrag der Ampel nennt eine Reihe wichtiger Maßnahmen. Diese müssen nun unverzüglich umgesetzt werden. Der Fokus sollte dabei auf den folgenden Maßnahmen liegen: 

Kappungsgrenze senken 

Um eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen zu gewährleisten, ist die Kappungsgrenze für eine Mieterhöhung in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt dringend auf 11%, perspektivisch möglichst auf 9% herabzusetzen. Dieses bislang nicht umgesetzte Anliegen des Koalitionsvertrags der Ampel wird immer dringlicher, da die Mieten in Ballungsräumen nahezu ungebremst steigen und jede weitere Zeitverzögerung dazu führen wird, dass diese Mietsteigerungen in zukünftigen Mietenspiegeln Eingang finden werden. Das hat nicht nur Rückwirkungen auf die dann folgenden Mieterhöhungen in Bestandsmietverhältnissen, sondern auch auf die zulässige Höhe von Neumieten. Steigende Mieten und ein unzureichendes Angebot an bezahlbarem Wohnraum stellen Mieter*innen, insbesondere Familien mit Kindern und Personen mit geringem Einkommen, bereits seit Jahren vor erhebliche, nicht selten existentielle Probleme. Durch die aktuellen Preissteigerungen haben sich diese Probleme innerhalb kurzer Zeit massiv verschärft. Die Mietpreisbremse von 2015 und auch nachfolgende Gesetze haben den andauernden starken Anstieg der Mieten in Ballungszentren nicht aufhalten können. An der Problematik hat sich nichts Wesentliches geändert, sie hat sich vielmehr weiter verschärft. Eine DIW-Studie attestiert hier fortbestehenden Handlungsbedarf. Ganz aktuell wird dieser Befund zum Beispiel durch eine Befragung Hamburger Mieter*innen durch die Verbraucherzentrale Hamburg gestützt. Hiernach hat gut die Hälfte der Befragten im Jahr 2022 eine Erhöhung der Kaltmiete um bis zu 100 € hinnehmen müssen. 

Kündigungsschutz stärken 

Der Praxis, die sog. Schonfristregelung bei fristloser Kündigung wegen Zahlungsverzugs zu umgehen, wollen wir entgegenwirken. Neben der fristlosen Kündigung wird häufig parallel eine ordentliche Kündigung ausgesprochen, auf die sich die Schonfristregelung nicht erstreckt. Hier ist der Gesetzgeber dringend gefordert. Was dem Zweck nach in Fällen fristloser Kündigungen gilt – nämlich Wohnungserhalt – muss auch für ordentliche Kündigungen gelten. Mit der Nachzahlung ist das Zahlungsinteresse der Vermieterseite befriedigt. Durch die Verknüpfung der außerordentlichen mit der hilfsweisen ordentlichen Kündigung läuft der gesetzliche Schutzzweck weitgehend leer. Auch gesetzessystematisch erscheint nicht nachvollziehbar, weshalb die Interessen von Vermieterinnen und Vermietern bei der ordentlichen Kündigung schwerer wiegen sollten als bei der außerordentlichen Kündigung. Schließlich erkennt sogar der Bundesgerichtshof insoweit „Wertungswidersprüche“, an deren Korrektur er sich aber aufgrund der bisherigen Untätigkeit des Bundesgesetzgebers gehindert sieht. In Zeiten, in denen ein Anstieg von Kündigungen wegen Zahlungsverzugs zu befürchten ist, sollte hier nicht länger gezögert und der Anwendungsbereich des Nachholrechts bei Zahlungsverzug auch auf die ordentliche Kündigung ausgedehnt werden. 

Mietpreisbremse verlängern und verschärfen  

Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Mietpreisbremse bis 2029 zu verlängern. Mit dieser Beschränkung der Mieterhöhung geben wir den betroffenen Regionen ein wirksames Mittel gegen die eklatanten Preissteigerungen bei Neuvermietungen an die Hand. Es braucht aber aus unserer Sicht zudem eine Verschärfung der Mietpreisbremse, mit der bestehende Lücken geschlossen werden.  

Qualifizierten Mietspiegel einführen  

Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Stärkung der qualifizierten Mietspiegel muss zügig umgesetzt werden. Für deren Erstellung müssen dann die Mietverträge aus einem längeren Zeitraum, nämlich der letzten sieben Jahre, herangezogen werden. Für alle Städte und Gemeinden über 100.000 Einwohner*innen wird diese Art des Mietspiegels dann verpflichtend. Andere Möglichkeiten für die Begründung von Mieterhöhungen mit Vergleichsmieten wollen wir stark einschränken. 

II. 

Wir sind der festen Überzeugung, dass die Reform des Mietrechts jedoch deutlich über die Vorhaben des Koalitionsvertrags hinausgehen und folgende Probleme in Angriff nehmen sollte. 

Indexmieten begrenzen 

Das aktuell besonders virulente Problem der explodierenden Indexmieten wollen wir schnellstmöglich in den Griff bekommen. Hier besteht für den Bundesgesetzgeber akuter Handlungsbedarf. Wir bedauern, dass der Bundesjustizminister die Hamburger Initiative zu den Indexmieten bisher nicht aufgegriffen hat. Vor allem in den Großstädten werden vermehrt Indexmietverträge abgeschlossen. Zum Teil werden Indexmietverträge ausdrücklich empfohlen, um bei Neumietverträgen, die sich im oberen Bereich oder gar über der ortsüblichen Vergleichsmiete bewegen, in den Folgejahren weitere Mieterhöhungen durchsetzen zu können. Die weiterhin hohe Inflationsrate führt nach wie vor dazu, dass der Verzicht auf jegliche Begrenzung der im Rahmen der Indexmieten möglichen Erhöhungen zu unangemessenen Folgen führt und wegen der Rückwirkung auf die ortsüblichen Vergleichsmieten auch Breitenwirkungen mit Langzeitfolgen zeitigen wird. Aus diesem Grund bedarf es nach wie vor dringend und zeitnah einer Regelung, die überproportionale Sprünge der Indexmiete rechtssicher und wirksam verhindert. 

Rügeobliegenheit bei Missachtung der Mietpreisbremse abschaffen 

Umgehungen bzw. Missachtungen der sog. Mietpreisbremse durch Vermieter*innen müssen konsequent eingehegt werden. Mieter*innen, denen eine solche Umgehung auffällt, sollte das rechtliche Vorgehen dagegen erleichtert werden. Die Rückforderung zu viel gezahlter Miete darf nicht mehr von einer zuvor erfolgten Rüge der*s Mieter*in abhängen. 

Schutz vor Eigenbedarfskündigungen stärken 

Wohnen ist auch in Fällen prekär, in denen Eigenbedarf der vermietenden Partei im Raum steht. Daher sollte das Instrument der Eigenbedarfskündigung nur sozial verträglich zum Einsatz kommen dürfen. Aktuell bestehen hier Schutzlücken zulasten von Mieter*innen, die in Anbetracht der dynamischen Entwicklung schnellstmöglich geschlossen werden sollten. Die Kündigungsfrist sollte verlängert und Pflichten der Vermieter*innen zum Hinweis auf bestehenden Eigenbedarf gesetzlich geregelt werden. Der Personenkreis, dessen Eigenbedarf als Kündigungsgrund geltend gemacht werden kann, sollte präzisiert und Mindestanforderungen an die Geltendmachung des Eigenbedarfs definiert werden. Für angespannte Wohnungsmärkte sollte zudem die Möglichkeit geprüft werden, inwieweit in verfassungsrechtlich zulässiger Weise der Schutz von besonders schutzbedürftigen Personengruppen ausgeweitet werden kann. Ferner sollte die Möglichkeit von Erwerber*innen einer Wohnung zur Eigenbedarfskündigung nach dem Eigentümerwechsel (sog. „gekaufter Eigenbedarf“) beschränkt werden. 

Kündigungsrecht für Mieter*innen erweitern 

Bei Zeitmietverträgen und Mietverträgen mit befristetem Kündigungsausschluss sollte ein ordentliches Kündigungsrecht für Mieter*innen geschaffen werden für Fälle, in denen Mieter*innen aufgrund neuer unvorhersehbarer Umstände die Bindung an den Mietvertrag bis zum Ablauf der Befristung unzumutbar ist. Dies kann bei unerwartetem Verlust der finanziellen Leistungsfähigkeit (z.B. Arbeitsplatzverlust, Krankheit, bei Mieter*innen mit geringem Einkommen auch Inflation und steigende Energiekosten) der Fall sein. Die Voraussetzungen für eine Kündigung wären damit gegenüber dem ordentlichen Kündigungsrecht beim unbefristeten Mietvertrag, von dem Mieter*innen nach freiem Ermessen Gebrauch machen kann, weiterhin zugunsten der Vermieter*innen erhöht. Sofern im Einzelfall die Grenze der Zumutbarkeit überschritten wird, sollte aber den Interessen der Mieter*innen Vorrang eingeräumt werden. 

Anspruch auf Mietschuldenfreiheitsbescheinigung regeln 

In Zeiten, in denen Mieter*innen aufgrund steigender Betriebskosten zu einem Wohnungswechsel gezwungen sein können, gewinnt auch die sog. Mietschuldenfreiheitsbescheinigung weiter an Bedeutung. Auch wenn bislang keine gesetzliche Regelung hierzu existiert, machen Vermieter*innen die Vorlage einer solchen Bescheinigung in der Praxis häufig zur Voraussetzung für den Abschluss eines neuen Mietvertrages. Dies benachteiligt Mieter*innen, die eine solche Bescheinigung nur deswegen nicht vorlegen können, weil ihr*e Vermieter*in die Ausstellung der Bescheinigung verweigert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Vermieter*innen zur Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung grundsätzlich nicht verpflichtet.  Diese Auffassung erscheint jedenfalls in Anbetracht der heutigen Verbreitung von Mietschuldenfreiheitsbescheinigungen nicht mehr zeitgemäß, zumal mit der Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung keine relevante Belastung für Vermieter*innen einhergeht. Daher sollte ein Anspruch von Mieter*innen auf Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung gesetzlich verankert werden. 

Mietwucher verhindern 

Teil des Rechts auf Wohnen ist die staatliche Pflicht, vor Mietwucher zu schützen. Dafür bedarf es unter anderem eines praxistauglichen, effektiven Wirtschaftsstrafrechts. Hier ist eine Nachschärfung dringend erforderlich. Dem Bundestag liegt ein Gesetzentwurf des Bundesrats hierzu vor, der auf die wirkungsvollere Ausgestaltung des § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStrG) abzielt. Anstelle des subjektiv geprägten Merkmals „infolge der Ausnutzung“ soll bereits das objektive Vorliegen eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen genügen; zudem sieht der Gesetzentwurf eine Erhöhung des Bußgeldes auf 100.000 € vor. Hierdurch wird das WiStrG zu einem praxistauglichen Instrument gegen Mietpreisüberhöhung ausgeformt und unseriöse Vermietende werden bereits im Vorfeld stärker davor abgeschreckt, sich zu Unrecht an Wohnungssuchenden zu bereichern. 

Recht auf Wohnen im Grundgesetz verankern 

Ein soziales, am Gemeinwohl orientiertes Mietrecht sollte aus unserer Sicht einen ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Bezugspunkt haben. Daher bekräftigen wir unser Bekenntnis zur Einführung eines Grundrechts auf Wohnen im Grundgesetz. 

Soziales Mietrecht auch für Gewerbe und die organisierte Zivilgesellschaft 

Vielerorts sind auch die Gewerbemieten wirtschaftlich unverträglich angestiegen und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Viele kleine Händler*innen und Gewerbetreibende werden verdrängt. Daher sollten kleine und mittlere Unternehmen, genau wie soziale Einrichtungen, dauerhaft einen verbesserten Kündigungsschutz bekommen und mehr Rechte, befristete Mietverträge zu angemessenen Bedingungen zu verlängern. Darüber hinaus streben wir die Einführung einer Gewerbemietpreisbremse an, die in Städten mit angespanntem Gewerberaummarkt die Begrenzung von Gewerbemieten erlaubt. 

Mitzeichnende: 

Canan Bayram 

Lukas Benner 

Doreen Denstedt 

Anna Gallina 

Anja Liebert 

Benjamin Limbach 

Helge Limburg 

Katja Meier 

Karoline Otte 

Christina-Johanne Schröder  

Till Steffen 

Hanna Steinmüller 

Kassem Taher Saleh 

Awet Tesfaiesus 

Titelbild Beitrag: Fabian Berg

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